Geschichte des Gasteinertales


Über die Geschichte des Gasteinertales. Siehe auch die Chronologie des Gasteinertals.
Anfänge
Den ersten Hinweis, dass sich Menschen im Tal aufhielten, gibt ein Flintbeil aus der Zeit um 3750 vor Christi Geburt, das in Bad Gastein nächst der Fledermaus-Warmwasserquelle gefunden wurde. Es ist rund 6 000 Jahre alt und von westeuropäischer Herkunft. Mehrere steinerne Lochäxte, zum Teil aus den hochalpinen Bereichen, sind "nur" 5 000 Jahre alt.
Um 1600 vor Christi Geburt, also schon lange vor den Römern, fand im Nassfeld (Sportgastein) eine massive Waldrodung statt; und aus der Zeit um 1100 vor Christi Geburt datiert das Fragment eines frühkeltischen Kammhelms aus dem Anlauftal.
Die Römerzeit ist durch Münzfunde gut bezeugt und natürlich auch durch die Reste der römischen Straßenanlagen über den Korntauern und über den Nassfelder Tauern, Letztere dann weiter zum Bergwerksrevier des Bockharttals hinauf.
Das erste Jahrtausend nach Christi Geburt
Ab dem 8. nachchristlichen Jahrhundert wurde das Tal für bäuerliche Zwecke großräumig nutzbar gemacht. Es waren bajuwarische Siedler, die gemeinsam mit Karantanen aus Kärnten, diese wahrscheinlich unter dem gleichen bayerischen Grundherrn wie sie selbst, das Tal mit Höfen besetzten und die Rodungen ausführten, hauptsächlich an den talnahen Hängen. Daraus entwickelten sich später die sogenannten "Freiberge", auf die noch mancher Flurname hinweist und die ursprünglich im gemeinsamen Besitz der Bauern standen: Weiderecht für alle!
Laut alter Sagen gab es auch bereits Kirchen, was nicht bewiesen, aber sehr wahrscheinlich ist. Die frühen Einwohner des Tales, die laut HR Dr. Herbert Klein "von Anfang an" unter bayerischer Oberherrschaft standen, bekannten sich zweifellos zum Christentum. Um 711, etwa ein Jahr nach der Ankunft des heiligen Rupert in Salzburg, gab es bereits einen urkundlich verbürgten kirchlichen Stützpunkt "inner Gebirg", nämlich die Maximilianzelle in Bischofshofen. Also wird auch in Gastein - zumindest eine kleine! - Kirche oder Kapelle vorhanden gewesen sein.
Aufgrund gewisser archäologisch-bodenstruktureller Merkmale ist für diese frühe Zeit, also ab dem 8. Jahrhundert, die Existenz eines großflächigen bayerischen Herzogshofes zwischen der heutigen Kirche und dem Kirchbach sehr wahrscheinlich. Er fungierte als landwirtschaftliches Verwaltungszentrum.
Die aus Kärnten kommenden und alt-slowenisch sprechenden "karantanischen" Siedler standen jenen aus dem alten Bayern friedlich gegenüber. Dies beweisen Übersetzungsnamen, zum Beispiel "Korn-Tauern" (aus "koren", die Wurzel), den man von Gasteiner Seite über den "Wurz-Berg"-Steig erreicht. Man vergleiche dazu als Parallele den Kärntner "Wurzen"-Pass und südlich unterhalb den slowenischen Ort Pod-"Koren". Slawisch-karantanische Ortsnamen finden sich hauptsächlich in der Südhälfte des Gasteinertales; es sind rund 25 bis 30 an der Zahl, deren slawischer Ursprung manchmal wegen ihrer später völlig eingedeutschten Form nur mehr schwer zu erkennen ist.
Die Geschichte ab dem 1. Jahrtausend
- Hauptartikel 1000 Jahre Gastein
Dann kam das berühmte Jahr 1020, für das durch Univ.-Prof. Dr. Heinz Dopsch ganz eindeutig die Existenz einer eigenständigen Pfarre in Gastein nachgewiesen wurde. Obwohl "Gastein" als Gewässername schon früher vorkommt, beispielsweise um 963 und, ohne konkrete wissenschaftliche Fundierung, auch für das Jahr 890 genannt wird, so ist doch 1020 jene hochwichtige Jahreszahl, die pfarrliches und somit parallel einhergehendes ausgedehntes wirtschaftliches Leben für das Gasteinertal mit uneingeschränkter Deutlichkeit bezeugt. "1020–2020" – da wird um 2020 für das gesamte Gasteinertal eine große Tausendjahrfeier fällig.
Wahrscheinlich ebenso wie in den vorangegangenen Jahrhunderten, so gehörte in den folgenden Jahrhunderten das Tal zum allergrößten Teil den Herzögen von Bayern. Im Herzogsurbar von 1224 sind beispielsweise genannt: Laderding, Haitzing, Hof (Bad Hofgastein), Planitzen, Gadaunern, Ardacker, Lafen, Kötschach und "Puchelen" (Reitlgründe, Bad Gastein, mit südlich davon liegendem Hinterland: "Hinterbaden", Böckstein). Dieser riesengroße bayerische Besitz störte die Salzburger Erzbischöfe bei ihren Bemühungen, Salzburg zu einem echten und eigenständigen "Land" zu machen.
Als die Bayernherzöge Otto III. und Stephan I. in Geldnot gerieten, bot sich aus ihrer Sicht ein Verkauf Gasteins an – und der Salzburger Erzbischof Konrad IV. von Fohnsdorf griff zu: Ab dem Jahr 1297 gehörte die nun so benannte "Provinzia Gastuna" zu Salzburg und die erzbischöflichen Landesherren durften sich über eine endlich durchgehend geschlossene, über die wasserscheidenden Kämme und Grate der Hohen Tauern verlaufende Südgrenze ihres "Landes" freuen. Das stolze Wort "unser Land" kommt dann erstmals in der Gasteiner Bergordnung von 1342 in schriftlicher Form vor.
Im Jahr 1272 gab es einen Besitzstreit um die Burg Klammstein zwischen den Herren von Goldegg und denen von Walchen. Die Burg und deren rundum liegenden Wälder und landwirtschaftlichen Ertragsflächen hatten zuvor der Grafenfamilie der Sieghardinger-Peilsteiner gehört. Von dem noch heute erhaltenen Wehrturm der Burg Klammstein aus wachte, vermutlich mit militärischer Aufgabenstellung, ein "Sagittarius" (Bogenschütze), zum Beispiel einer, dessen Name als "Konrad" überliefert ist. Ab 1272 setzten sich in dem oben erwähnten Streit die Herren von Goldegg durch, die zwar nie den Status von Grafen erreichten, die aber dessen ungeachtet fortan über das ganze Tal de facto die Grafschaftsrechte ausübten - eine Tatsache, in der wohl einiges Konfliktpotenzial verborgen lag, denn die eigentlichen Besitzer des bei Weitem größten Talbereiches mit seinen wirtschaftlichen Hauptorten waren nach wie vor und bis 1297 die Bayernherzöge. Am 10. März 1297 kam es zum Verkauf des Gasteinertals an das Erzbistum Salzburg.
Entwicklung zum Wildbad
Die Thermalquellen dürften seit ältester, vielleicht sogar schon in frühgeschichtlicher Zeit zumindest gelegentlich genutzt worden sein. Um 1180 lebte im Tal ein Luitoldus de Gastein, dessen Wappen nach früher Überlieferung einen Wasserkrug zeigt. Dies ist nicht überprüfbar: Die Urkunde gilt heute als verschollen.
In ältester Zeit gab es wohl kaum eine reguläre "Badeanstalt" im heutigen Sinne, sondern das Baden spielte sich in einfachen hölzernen Zubern und Bottichen ab, und man benötigte eine Kanne, um mit ihr die aus Holz gefertigten Badebehälter mit Thermalwasser zu füllen. Somit lässt die Kanne (oder der Krug) im Wappen nur eine wirklich plausible Deutung zu, nämlich die als bewusster Hinweis auf irgendeine Form der Verabreichung von Bädern, mit denen der Träger eines solchen Wappens in Zusammenhang stand. Übrigens: Diepold von Gastein, möglicherweise ein Nachkomme des oben erwähnten Luitoldus de Gastein, war ein bedeutender Landadliger mit Grundbesitz rund um Bad Gastein. Auch er führte einen Krug in seinem Wappen, und zwar um 1327.
Als sich um 1350 ein "Fritzel in Baden" in eine Leibsteuerliste eintragen lassen musste, war allein schon mit seinem Namen ("in Baden") der erste direkte Beweis für das Vorhandensein eines regulären Badebetriebs gegeben. Die Kunde, dass das warme Wasser heilkräftig sei, verbreitete sich rasch, und das Bad Gastein startete seine Karriere als "Wildbad", nämlich als eine frühe Form dessen, was man (viel) später einen "Kurort" nannte. Schon fünfzehn Jahre nachdem der Ortsname "in Baden" genannt erscheint, melden die Chroniken die ersten wirklich hochrangigen Gastein-Besucher: Einerseits war es Herzog Stephan II. von Bayern samt großem Gefolge - und andererseits Meinhard VII., der mächtige Graf von Görz, ebenfalls mit großem Gefolge. Die Bayern und Görzer trafen sich am 30. Mai 1365 in Hofgastein um einen gewissermaßen internationalen Heiratsvertrag zu schließen. In diesem ersten "Gasteiner Vertrag" versprachen sich Katharina von Görz und Johann II. von Bayern die Ehe, mit weitgehenden staatspolitischen Folgen.
Hohe und höchste Herrschaften als Gäste im Gasteinertal
Der Anfang war gemacht! In den folgenden Jahrhunderten durften die Gasteiner immer wieder hohe und höchste Herrschaften als Gäste begrüßen, etwa Herzogin Anna von Braunschweig (1422), Herzog Friedrich von Tirol (später Kaiser Friedrich III.) um 1436, Herzog Sigmund von Österreich (1451), Herzog Ludwig IX. von Bayern-Landshut (1461), Herzog Sigismund von Bayern (1466), Herzog Philipp von Bayern (1535), den Wittelsbacher Ottheinrich, Pfalzgraf bei Rhein und Kurfürst von der Pfalz (1537, 1538, 1540), Herzog Ludwig X. von Bayern (1539), Herzog Albrecht V. von Bayern und Erzherzog Karl II. von Innerösterreich (beide 1570) sowie Erzherzogin Anna von Österreich (1571).
Im Jahr 1591 besuchte mit größtmöglich zur Schau gestelltem Pomp der Salzburger Landesherr Wolf Dietrich von Raitenau "die Gastein". Er nannte sich als Erster nicht nur "Erzbischof", sondern in selbstbewusster Einschätzung seiner Bedeutung "Fürst"-Erzbischof.
In den folgenden Jahrhunderten waren es viele weitere Prominente, die hier die Badekur absolvierten. Dabei erwies sich die Zahl von Besuchern aus Bayern regelmäßig als wesentlich höher denn jene von Besuchern aus Österreich. Natürlich statteten auch die späteren Salzburger Fürsterzbischöfe, bis herauf zu Hieronymus Graf Colloredo als dem Letzten in der Reihe geistlicher Landesherren, dem Gasteiner Bad ihre Besuche ab.
Bergbau auf Gold- und Silber
Um die Mitte des 14. Jahrhunderts nahm noch eine zweite Entwicklung ihren Anfang, nämlich der frühneuzeitliche Bergbau auf Gold- und Silber. Um 1342 gab es gewissermaßen einen historischen Donnerschlag: Für Gastein wurde eine eigene Bergordnung erlassen, die "Constitutiones et iura montana in Chastune". Dies war eine Sammlung von Gesetzen und Bestimmungen, die alle Vorgänge im Montanwesen regelten und die bis ins frühe 19. Jahrhundert die österreichische Berggesetzgebung mit beeinflussten.
Die erste Blüte des Bergbaues dauerte nicht sehr lange, denn schon ab dem Jahr 1400 machte sich im deutschen Wirtschaftswesen und besonders im gesamtdeutschen Bergbau eine Depressionsphase bemerkbar. Erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ging es wieder aufwärts. Es gab Erfindungen und wesentliche technische Verbesserungen, echte Inventionen und darauffolgende allgemein angewandte Innovationen.
Auswärtiges Kapital floss nach Gastein, allen voran jenes des reichen Augsburger Handelshauses der Fugger, die das hier gewonnene Gold und Silber nach Venedig verbrachten, in den berühmten "Fondaco Dei Tedeschi", also in das riesengroße und prächtig ausgestattete "Haus der deutschen Kaufleute" in Venedig.
In den Jahren 1525 und 1526 tobte der Bauernkrieg, quasi als später Epilog zu den weitaus größeren Bauernaufständen in Süddeutschland. Den Anfang nahm die Gasteiner Rebellion mit einer Verschwörung der Bergwerksunternehmer bei der Grube Silberpfennig auf der Erzwies im hintersten Angertal. Die Gewerken drohten den zu Beginn eher zum Frieden tendierenden Bauern des Tales mit Zwangsmaßnahmen gegen "Leib und Leben" (Folter und Tod), falls sie sich weiterhin weigern sollten, beim Aufstand mitzumachen. Nach etwa eineinhalb Monaten wendete sich das Blatt: die Gewerken zogen sich zurück und die zu Radikalität und Gewalttaten neigenden Pinzgauer Bauern fanden nun auch im Gasteinertal viele bäuerliche Mitstreiter gegen Kardinal Matthäus Lang, den Salzburger Landesherrn.
Das Gasteinertal steht an der Spitze aller Edelmetallbergwerke im deutschen Sprachraum
Ab etwa 1520 kamen einheimische Gewerken zu Bedeutung, die sich von ursprünglich halbbäuerlichen Existenzen zu immens reichen und überregional angesehenen Unternehmern hocharbeiteten. Die Gewerkenfamilien der Weitmoser, Zott und Strasser erlebten dann den absoluten Höhepunkt der Produktion von Gold und Silber. Im Jahr 1557 waren das 830 kg Gold und 2.723 kg Silber, das allermeiste davon vom Radhausberg oberhalb Böcksteins. Allein im Jahr 1560 wurde aus dem heimischen Gold in der Salzburger Münzstätte die riesige Summe von 170.992 Gold-Dukaten ausgeprägt. Auf der Basis von Bergarbeiterlöhnen - einst und jetzt - umgerechnet, entspricht das etwa einem heutigen Wert von ungefähr 130 bis 170 Millionen Euro, rein theoretisch-rechnerisch wären es 148,2 Millionen. Rechnet man den Wert des Goldes und den Wert des Silbers in einen übergreifenden Gulden-Gesamtbetrag zusammen, so stand Gastein um die Mitte des 16. Jahrhunderts an der Spitze aller Edelmetallbergwerke im deutschen Sprachraum, noch vor den sächsischen Bergwerken, auch vor Schwaz in Tirol und anderen. Christoff Weitmoser I. war der bei Weitem größte Goldgewerke im Alten Reich.
Bad Hofgastein, der zentrale Hauptort des Tales, erlebte gute Zeiten, doch wurde er damals nie "Goldenes Stadtl" genannt. Das ist eine Erfindung neuzeitlicher Reiseschriftsteller, natürlich in Anlehnung an das alte Prag, das lange diesen umgangssprachlichen Beinamen führte.
Der Niedergang beginnt
Im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts kam es zu einem dramatischen Niedergang der Edelmetallproduktion, bis diese um 1615 ihren tiefsten Punkt erreichte. Alle erschlossenen Erzlager hatten nach rund 150 Jahre dauernder Ausbeutung einfach ihr Ende erreicht. Die technischen Schwierigkeiten nahmen beim Bau der Stollen und Schächte in die Tiefe zu, und die Erze wurden nach unten, also in die "Teufe", mengenmäßig immer weniger und wertmäßig immer schlechter. Die Gewerken betrieben Raubbau und vernachlässigten völlig die Erschließung neuer Erzkörper – und das berühmte "Gegentrumm" der Radhausberger Gänge ist bis heute nicht gefunden. Die irrige (!) Meinung, dass beim Niedergang der Edelmetallproduktion die Gletscher, die Protestantenverfolgung und die aus Amerika importierten Edelmetall Gold und Silber eine Rolle gespielt hätten, setzt sich wie eine Erbkrankheit bis heute fort. Es klingt halt alles allzu schön logisch, doch es ist ein typischer Fall von Schein-Logik. Faktum ist: Alle drei der immer wieder ins Treffen geführten "Gründe" sind nicht stichhaltig!
Nachdem alle zuvor tätigen privaten Gewerken ihr Engagement aufgegeben hatten, übernahm um 1616 die Salzburger Landesherrschaft den Gasteiner Edelmetallbergbau. Die Stollen an sich wurden dabei mit dem Wert null veranschlagt, doch für die Gebäude und sonstigen Realitäten erhielten die früheren Besitzer zusammen den nicht gerade kleinen Betrag von 33.573 Gulden. Von den durchaus klugen Räten in der Salzburger Regierung glaubte von allem Anfang an keiner, dass mit dem neuen Besitztum ein nennenswerter wirtschaftlicher Erfolg zu erzielen wäre. Trotzdem entschloss man sich zum Ankauf und zum Weiterbetrieb des Bergbaues. Dieses Vorgehen hatte dominierend den Grund, "einer armen Bevölkerung ihr Stückl Brot" zu sichern.
Emigration der meisten evangelischen Gasteiner
Produktive Arbeitslosenfürsorge für die folgenden drei Jahrhunderte? Im Wesentlichen tatsächlich so, doch nicht nur: Mit der Gründung der Montansiedlung im heutigen Altböckstein im Jahr 1741 begann, begünstigt durch technische Innovationen, ein gewisser Wiederaufschwung, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts unter Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo relativ gute Ergebnisse zeitigte, relativ (!) gute, denn man brachte es kaum auf ein Zehntel dessen, was Mitte des 16. Jahrhunderts an Edelmetall gewonnen wurde.
"Cuius regio, eius religio"
- 'wessen die Regierung, dessen das Recht zur Festlegung der Religion seiner Untertanen' - dieser zusammenfassende Ausspruch über den "Augsburger Religionsfrieden" von 1555 bekam im Fürsterzbistum Salzburg um 1732 - und besonders im Folgejahr 1733! - eine neue, für viele eine gnadenlos existenzgefährdende Aktualität, denn in dieses Jahr fiel die erzwungene Emigration der meisten evangelischen Gasteiner. Sie zogen zu einem großen Teil nach Ostpreußen, wo sie die Möglichkeit zu einem wirtschaftlichen Neubeginn im Zeichen ihres uneingeschränkten evangelischen Glaubens geboten erhielten und auch nützten. In einer Zeit, als der noch stagnierende Bergbau Leute entließ und keinem neuen Bewerber eine Arbeit bieten konnte, und die Bauerngüter durch ständige "Verstuckungs"-Teilungen immer kleiner geworden waren, sahen viele nachgeborene Bauernsöhne für sich keine Zukunft im Tal. Sie bekannten sich deshalb gegenüber der Religionskommission freiwillig als Evangelische ("Fragt nicht lang, schreibt mich evangelisch, ich geh!") und traten zusammen mit den tief Gläubigen die Reise nach Preußen an. Damals ging im Tal die ironisch gebrauchte Phrase vom "Gasteiner Glauben" um, mit der Männer und Frauen punziert wurden, die sich von religiösen Grundsätzen nicht allzu sehr beeinflussen lassen wollten und in deren Köpfen oft wirtschaftliche Überlegungen weit vor dem altererbten Glauben rangierten. Manche derer, die Gastein verließen, kehrten später zurück, konvertierten offensichtlich ohne religiöse Bedenken zum Katholizismus und erhielten in der Folge wieder die "Landeshuld".
Erste alpine Seilbahn in den Ostalpen
Das 19. Jahrhundert begann gleich in seinen ersten Jahren mit dramatischen politischen Veränderungen: Ende des Fürsterzbistums, die Herrschaft der Habsburger, eine französische Besetzung, dann die Eingliederung in das Kurfürstentum Bayern, und schließlich, 1816, die endgültige Aufnahme in den österreichischen Habsburgerstaat. Im Bergbau konnten die Erträge an Edelmetall längst nicht mehr den Aufwand decken, und die Jahresbilanzen zeigten an ihrem Ende als globale Gesamtsummen immer rote Zahlen. Daran änderte sich auch nichts, als Oberkunstmeister Joseph Gainschnigg eine "Aufzugsmaschine" auf den Radhausberg baute, diese fertiggestellt im Herbst 1803.
Es war die erste alpine Seilbahn in den Ostalpen! Reste der ehemaligen Talstation sind noch heute am alten Wanderweg ins Nassfeld (Sportgastein), im Bereich oberhalb der zwei Asten-Almen, zu sehen.
Aufschwung des Kurwesens
Das Kurwesen schaffte im 19. Jahrhundert eine wesentliche Entwicklung. Aus der alten Straubinger Wirtstaverne entstand in mehreren Bauschritten das heutige Grandhotel Straubinger. Gegenüber hatte der Landesherr den straubingerischen Schweinestall beseitigt und an dessen Stelle sein fürsterzbischöfliches "Badeschloss" gebaut, fertiggestellt 1794. Die alt-halbbäuerliche Zeit (Stall) musste der neu-modernen Zeit (Schloss!) weichen! Im Jahr 1825 plante Oberkunstmeister Joseph Gainschnigg im Auftrag des ungarischen Erzbischofs Ladislaus Pyrker und später mit Unterstützung durch Erzherzog Johann eine leistungsfähige, für Thermalwasser geeignete Röhrenleitung nach Bad Hofgastein, die ab 1828 fertiggestellt wurde und den Hofgasteinern den Betrieb einer eigenen "Filial-Badeanstalt" ermöglichte. Diese entwickelte sich gewissermaßen zu einem Kristallisationspunkt all dessen, was heutigentags, gemeinsam mit Bad Gastein, als "moderner Kurort" firmiert.
Nachdem Gastein um 1816 österreichisch geworden war, trafen hier prominente Österreicher ein, quasi um sich die "Neuerwerbung" zu besehen beziehungsweise um die Kur auszuprobieren. Zu nennen sind Franz Schubert, Franz Grillparzer, aber auch einer der ganz Großen kam: Erzherzog Johann von Österreich, der Bruder des Kaisers, dessen "Meranhaus" im Zentrum Bad Gasteins noch heute an seine Familie erinnert. Besonders hervorzuheben ist der ungarische Erzbischof Ladislaus Pyrker, der in Bad Hofgastein ein stattliches Haus aus dem 16. Jahrhundert kaufte, noch mit Erkertürmchen im typischen Tiroler Landadel-Stil, und dieses 1832 in selbstloser Weise zu einem Militärspital umwidmete. Es musste sich in jüngerer Zeit eine alles zertrümmernde Demolierung gefallen lassen, und heute steht an dessen Stelle das supermoderne "Kurhaus Ferdinand Hanusch". Der in Tschechien geborene Ferdinand Hanusch (* 1866; † 1923), nach dem auch ein Wiener Krankenhaus (zuvor Erzherzog-Rainer-Spital) benannt ist, war ein großer sozialdemokratischer Parteivordenker, Freimaurer, Sozialminister, Gewerkschafter und Begründer der österreichischen Arbeiterkammer.
Die Wurzeln der Hotelfachschule Bad Hofgastein
Nach diesem kurzen Vorgriff zurück ins 19. Jahrhundert. Für die Entwicklung Bad Gasteins brachte das Jahr 1839 einen wichtigen Markstein: Die Eröffnung des Hauses "Solitude" zeigte erstmals, was "gehobene Gastronomie" zu bedeuten hatte. Johann Freiherr von Mesnil, der Besitzer dieses neuen, eleganten Etablissements, tischte die auserlesensten Speisen auf und kredenzte edle Weine, die den alteingesessenen Badewirten nicht einmal dem Namen nach bekannt waren. Sowohl das Kochen als auch das Servieren wurde nur dem speziell in den Großstädten der Welt geschulten Meistern anvertraut. In gewissem Sinne begann damit eine Tradition, die sich noch heute in der weitum bekannten Bad Hofgasteiner Hotelfachschule widerspiegelt. – Später war die "Solitude" ein Zentrum des Gesellschaftslebens, besonders im Sommer, als es dort Theateraufführungen gab. Einmal soll sogar der deutsche Kaiser Wilhelm I. in einer bescheidenen Nebenrolle mitgespielt haben!
Aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist das Jahr 1865 hervorzuheben. In diesem Jahr wurde im Grandhotel Straubinger - in dem von der damaligen Presse gerühmten Zimmer Nr. 7 - die "Gasteiner Konvention" mit Preußen abgeschlossen - das war nun also nach 1365, siehe oben, der zweite große "Gasteiner Vertrag". Um 1865 handelten hier Otto von Bismarck (für Preußen) und Gustav von Blome (für Österreich) die Rechte über die im Dänenfeldzug gemeinsam eroberten Gebiete aus: Österreich sollte künftig Holstein verwalten, Preußen übernahm Schleswig. Darüber hinaus gab es noch Nebenvereinbarungen. Das Ergebnis der Gasteiner Verhandlungen vom 14. August 1865 erhielt seine feierliche Unterzeichnung am 20. August in Salzburg durch die Monarchen Österreichs und Preußens.
An prominenten Gästen fehlte es in Gastein nicht, allen voran sind der deutsche Kaiser Wilhelm I., Kanzler Fürst Otto von Bismarck, Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth zu nennen.
Um 1900 herrschte rege Bautätigkeit
Das späte 19. und das frühe 20. Jahrhundert prägten mit reger Bautätigkeit das weitere Schicksal des Gasteinertales. Zahlreiche große Hotels entstanden unter den bedeutenden Hoteliersfamilien (alphabetisch) Hirt, Mitteregger, Moser, Sedlacek, Straubinger (älteste Familie), Watzinger-Krenn, Weismayr, Windischbauer (mit Straubinger die Wichtigsten), Wührer; in Bad Hofgastein Bachbauer, Moser (sehr früh), Sendlhofer, Schueller, Stuhler und Winkler; in Dorfgastein Hasenauer und Rieser. Die jüngeren Hoteliers-Generationen sind hier nicht angeführt.
Die Ausführung des 1901 beschlossenen Plans zum Bau der Tauernbahn etablierte eine äußerst wichtige Nord-Süd Verbindung im österreichischen Bahnnetz, eröffnet 1911, mit durchgehender Trasse von Schwarzach-St. Veit Bahnhof bis Spittal an der Drau. Dass die Wahl der Trasse - gegen mehrere Mitkonkurrenten! - auf das Gasteinertal fiel, war dem damaligen Bürgermeister und Kaiserlichen Rat Carl Straubinger zu danken.
Ihm war auch noch etwas Zweites zu danken, nämlich, dass die Gemeinde Bad Gastein um 1912 dem habsburgischen Kaiserhaus die Thermalquellen abkaufen konnte. Ein schwerer finanzieller Brocken musste gestemmt werden, wofür der Verkauf eines Teils des Bad Gasteiner Thermalwassers an die Gemeinde Bad Hofgastein (950 m³ täglich "auf ewige Zeiten") im gleichen Jahr 1912 einen wichtigen finanziellen Hilfsbeitrag beisteuerte.
Bergbau im 20. Jahrhundert, Radongas wird gefunden
Im Jahr 1865 kam es zur Schließung des in den letzten Jahrzehnten chronisch defizitären "ärarischen", also vom Staat betriebenen Bergbaues. Es folgte eine von einheimischen Privatunternehmern gegründete "Erste Gewerkschaft Radhausberg", der ab 1907 die "Zweite Gewerkschaft Radhausberg" unter Kommerzialrat Ing. Ludwig Sterner-Rainer folgte. Als Financier stand der Züricher Großindustrielle Fritz Meyer hinter dem groß angelegten Montanprojekt. Um 1911 übernahm der aus Arau in der Schweiz gebürtige Dipl.-Ing. Dr. Karl Imhof - von allem Anfang an die treibende Kraft! - als alleiniger Direktor die "Zweite Gewerkschaft Radhausberg", die - nach längerem Stillstand und einem kurzen Intermezzo einer englischen Investitionsgesellschaft (Edron Trust) – im März 1938 durch Kauf in den Besitz der Preußag, einer deutschen Bergbaufirma, überging. Es war dann diese Preußag, die mit deutschem Risikokapital einen völlig neuen Bergwerksstollen am Fuß des mächtigen Radhausbergs auf nur 1 280 m Seehöhe von West nach Ost eintrieb. Das erhoffte edelmetallhältige Erz traf man nicht an, dafür etwas, was man nicht gesucht hatte: eine Lufttemperatur von rund 40 °C und einen Gehalt an Radongas von 44 kBq/m³ in der Stollenluft. Die Kombination dieser zwei natürlichen Faktoren erwies sich als in gleicher Weise heilkräftig wie das Bad Gasteiner Thermalwasser, doch in seiner Wirkung merklich stärker. Mit der üblicherweise zehn Einfahrten umfassenden Heilstollenkur erzielen Kranke mit Leiden des rheumatischen Formenkreises ausgezeichnete Erfolge.
Die Preußag zog sich nach 1945 zurück und der nun so bezeichnete "Gasteiner Heilstollen" ging in den Besitz verschiedener Institutionen der öffentlichen Hand über. Im Jahr 1952 gründete sich eine eigene "Heilstollen Betriebs-Gesellschaft", diese in enger Zusammenarbeit mit der weiter bestehenden "Erzbergbau Radhausberg"-Gesellschaft, der die montanistische Seite des Heilstollens bis zum heutigen Tag anvertraut ist.
Die Zeit des Ersten Weltkriegs bleibt hier ebenso ausgespart wie die Zwischenkriegszeit und der Zweite Weltkrieg. Wer sich dafür interessiert, der sei hier ausdrücklich auf die wissenschaftlichen Forschungsarbeiten von Dr. Laurenz Krisch verwiesen, auf dessen zahlreiche Publikationen sich der hier folgende Textabschnitt gründet.
Das Gasteinertal zur Zeit des Nationalsozialismus
Als globale Zusammenfassung genüge die Feststellung: Bad Gastein und Bad Hofgastein waren "Nazinester" (übrigens ebenso wie Rauris). Dass die NSDAP in Gastein so starken Zulauf fand, ist unter anderem besonders in Zusammenhang mit der durch Hitler-Deutschland gegen Österreich verhängten 1000-Mark-Sperre und der nachfolgenden katastrophal schlechten Besetzungslage der meisten Gasteiner Hotels zu sehen. Das fast gänzliche Fehlen der deutschen Gäste lähmte die Wirtschaft im Tal. Es gab Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit. Der Blick ins Deutsche Reich ließ Hoffnungen auf Wendung zum Besseren aufkommen, eine Tatsache, die besonders ab 1938 der NSDAP in die Hände spielte.
Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg
Im Krieg fungierte Bad Gastein als eine Art "Lazarettstadt" für die Soldaten und nach 1945 war Bad Gastein (ebenso wie Bad Ischl) ein sogenanntes "Lager" für die DPs, also die "Displaced Persons", bei denen es sich zum allergrößten Teil um vertriebene ("displaced") Juden aus den europäischen Ostgebieten handelte. Als im September 1947 sowohl die amerikanischen Besatzungssoldaten als auch die jüdischen Lagerinsassen abzogen, standen die Hotelbesitzer vor der Aufgabe, ihre zuvor meistens vielfach überbelegten Hotels zu renovieren und auf einen Stand zu bringen, der angetan war, um neue Gäste zu einem Aufenthalt einzuladen. Ihre Bemühungen hatten nach und nach tatsächlich Erfolg. Einen wesentlichen Beitrag leistete in weiterer Folge der Bau moderner öffentlicher Großbäder, "Felsentherme" in Bad Gastein und "Alpentherme" in Bad Hofgastein, sowie – ganz wichtig! – der aufkommende Wintersport.
Das Zeitalter des Wintersports beginnt
Die ersten Skier kamen durch den Rauriser Bergbauunternehmer Ignaz Rojacher 1886 aus Schweden in die Gasteiner Gegend und 1945 (Hüttenkogel) sowie 1946 (Kitzstein/Aeroplan) gab es die ersten Skilifte. In der späteren Entwicklung kam es zum großartigen Ausbau der Wintersportanlagen durch die "Gasteiner Bergbahnen"-Gesellschaft, von Sportgastein bis zum Bad Hofgasteiner Schlossalmgebiet. In den letzten Jahrzehnten unternahm auch Dorfgastein in dieser Hinsicht enorme Anstrengungen und erreichte mit der Erschließung des Fulseck-Gebietes ein besonders hoch zu wertendes wirtschaftliches Synergiepotenzial beim Zusammenschluss mit den Großarler Bergbahnen. Höhepunkte der wintersportlichen Veranstaltungen war die Alpine Ski Weltmeisterschaft Badgastein am Graukogel im Jahr 1958 und, in den darauffolgenden Jahrzehnten, die FIS-Rennen, die unter dem Namen "Silberkrugrennen" besser bekannt sind.
Ein wesentlicher Markstein in der jüngsten Geschichte ist die Errichtung des international anerkannten "Nationalparks Hohe Tauern", dem die Berge im Süden des Gasteinertales angehören. Der Grundsatzbeschluss wurde bereits 1971 gefasst, doch kam es zur effektiven Verwirklichung erst in zwei späteren Etappen: 1983 fand die Goldberggruppe (Nassfeldalm-Süd oberhalb der Höhenkote von 2 000 m ü. A.) und 1991 die Ankogelgruppe (Anlauftal-Süd mit Radeck sowie Kötschachtal-Süd mit Prossau) Aufnahme in den Nationalpark.
Das Gasteinertal ist heutigentags ein Tal des Wintersports und gleicherweise ein Tal der Kuren sowie des Naturgenusses, und dies besonders beim Bergwandern, kurzum: Gastein bietet alles, was einen Aufenthalt angenehm machen kann. Es ist, wie schon die Kurärzte des 19. Jahrhunderts sagten, ein "locus amoenus", ein geradezu im medizinischen Sinne "wonnig-schönes" und somit gesundheitsförderndes Tal, mit einer reichen und sehr vielfältigen Geschichte, wie sie kein anderes Tauerntal zu bieten vermag.
Literatur
- Gruber, Fritz: Die Weitmoser und ihr Edelmetallbergbau in den Hohen Tauern, Montanverein "Via Aurea", Eigenverlag 2018
- Gruber, Fritz: Über 1000 Jahre Gastein - Gasteiner Mosaiksteine 2
Quelle
- Fritz Gruber, Montanhistoriker und Autor zahlreicher Publikationen zum Thema Bergbau, via E-Mail an Benutzer:Peter Krackowizer am 24. Oktober 2018
- Fritz Gruber: Mosaiksteine zur Geschichte Gasteins, Bad Gastein 2012;
- Fritz Gruber, Vom Gold zum Radon-Heilstollen: Niedergang und Neuanfang des Edelmetallbergbaues in den Hohen Tauern zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert, in: Der Anschnitt. Zeitschrift für Kunst und Kultur im Bergbau 1-2/2016, S. 14-34.
- Fritz Gruber: 200 Jahre Gastein bei Österreich - ein Überblick, acht Seiten, in: Gasteiner Rundschau 206 f., III. et VII. 2016.
- Fritz Gruber: Das Jahr 1816 in Gastein. Einstündiger Powerpoint-Vortrag im großen Kursaal von Bad Hofgastein, 9. Juli 2016m Powerpoint-Folien per E-Mail bei fritz.gruber@sbg.at erhältlich